Patenschaftsfeier

Die Paten jubilierten
60 Jahre Doppelpatenschaft Heppenheim/Bubenreuth über die Musikstadt Schönbach

„Der Gemeinderat der Gemeinde Bubenreuth und die Stadtverordnetenver­sammlung der Kreisstadt Heppenheim haben beschlossen, die Patenschaft über die Musikstadt Schönbach und Umgebung zu übernehmen. Sie wollen dadurch ihrer Verbundenheit mit den aus ihrer Heimat Vertriebenen sichtbaren Ausdruck geben und dazu beitragen, das wertvolle Kulturgut und ihr auf eine 350-jährige Tradition beruhendes Kunsthandwerk zu erhalten und zu pflegen", so lautet der Originaltext der Städtepatenschaftsurkunde, welche vor 60 Jahren am 29. Juli 1956 im Kurfürstensaal der Kreisstadt Heppenheim von den damaligen Bürgermeistern Wilhelm Metzendorf (Heppenheim) und Hans Paulus (Bubenreuth) unterzeichnet wurde.

Das 60-jährige Bestehen dieser Doppelpatenschaft feierte man am 21. und 22. April in Heppenheim.

 

Vor dem offiziellen Festakt wurde die Bubenreuther Delegation von der Kreisvorsitzenden des Bundes der Vertrie­benen Rosel Koberg und ihrem Stellvertreter Gerhard Kasper auf dem Marktplatz begrüßt und zu einem Rundgang durch die von Fachwerkbebauung geprägte Altstadt eingeladen. Am Abend traf man sich im großen Saal Schloß­berg des Heppenheimer Rathauses, wo Bürgermeister Rainer Burelbach und die Stadtverordnetenvorsteherin Susanne Benyr die Gäste aus dem Frankenland begrüßten und die Damen und Herren des Stadtrates vorstellten.

 

Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Heppenheim

Von links - Heppenheims Bürgermeister Rainer Burelbach, die Stadtverordnetenvorsteherin Susanne Benyr, die Kreisvorsitzende des BdV Rosel Koberg und Bubenreuths Bürgermeister Norbert Stumpf mit dem Goldenen Buch der Stadt Heppenheim, in welchem sich alle Teilnehmer eingetragen hatten.

 

 

Bubenreuths Bürgermeister Norbert Stumpf bedankte sich als erstes für die Einladung und die sehr herzliche Auf­nahme und Betreuung. „Patenschaften“, so Stumpf in seiner Laudatio, „waren eine gute und notwendige Sache, die den Heimatvertriebenen geholfen haben, eine neue Heimat zu finden. Patenschaften sind aber auch eine gute und notwendige Sache für die danach geborenen Generationen, einen Ort und einen Bezugspunkt zu finden, an dem das kulturelle Gedächtnis der Heimat ihrer Eltern als Vertriebene hingehört und aufbewahrt wird.“ „Heppenheim und Bubenreuth“, so Stumpf, „haben die Verbindung zu Schönbach nie verloren.“ Stumpf ließ aber auch anklingen, dass sich die Zeit geändert habe, dass die „Erlebnisgeneration“ kleiner werde und die „Nachfolgegeneration“ die Ge­schichte anders verarbeite. Auch Bubenreuth hat mittlerweile eine dauerhafte deutsch-tschechische Partnerschaft daraus gemacht und diese im vergangenen Jahr beurkundet. „Ich wünsche mir“, so Stumpf in seinem Schlusswort, „weiterhin eine partnerschaftliche und vor allem freundschaftliche Verbindung der drei Kommunen, denn das sind wir nicht nur unseren Vorfahren schuldig.“

 

Gerhard Kasper, dessen Vater Zeitzeuge der Patenschaftsgründung war, blickte auf deren Ursprung zurück. Am 28. und 29. Juli 1956 fand in Heppenheim das Landestreffen der Egerländer mit einem Volkstumsabend und Festauf­führungen statt. Musikkapellen spielten, Lieder wurden gesungen und die alten Tänze wurden getanzt. In der voll­besetzten Stadthalle hielt Staatssekretär Dr. Preissler, selbst ein Egerländer, die Festrede. Am Sonntag, so fuhr Kasper fort, fanden in beiden Pfarrkirchen Festgottesdienste statt. Die Pontifikalmesse im Dom der Bergstraße wurde in Egerländer Mundart gesungen und war für die Gläubigen ein erhebendes Erlebnis. Anschließend traf man sich im Kurfürstensaal des Amtshofes zur Feierstunde der Übernahme über die Patenschaft gemeinsam mit der Gemeinde Bubenreuth über die Musikstadt Schönbach. Sein Vater Josef Kasper eröffnete als Vorsitzender des Festausschusses die Sitzung. Heppenheims Bürgermeister Wilhelm Metzendorf und Bubenreuths Bürgermeister Hans Paulus hoben in ihren Ansprachen hervor, dass die Heimatvertriebenen (2000 hat Heppenheim und 1600 hat Bubenreuth aufgenommen) ihre Kultur, ihr Kunsthandwerk, ihre Musik und ihre Verbände mitgebracht haben.

 

Die Kreisvorsitzende des BdV, Rosel Koberg, bewunderte die damaligen Gründer Paulus und Metzendorf, sie haben für beide Kommunen Geschichte geschrieben. Heute nach 60 Jahren, so Koberg, spricht man viel von Ver­ständigung und Versöhnung und unter dieser Prämisse sollte die Patenschaft weitergeführt werden.

 

Mit dem Bubenreuther Gemeinderatsmitglied und langjährigen geschäftsleitenden Beamten der Verwaltung Andreas Horner sprach ein Zeitzeuge, welcher über die Vertreibung selbst berichten konnte. „Als wir im Juli 1946 aus Schönbach vertrieben wurden“, so begann Horner seinen Rückblick, „war ich fünf Jahre alt. An den Einmarsch der Amerikaner in Schönbach kann ich mich nur bruchstückweise erinnern. Nach dem Vertrag von Jalta und Pots­dam zogen sich die amerikanischen Soldaten vom Sudetenland wieder zurück und überließen den Tschechen unsere Heimat. Kurze Zeit später mussten meine Eltern mit mir am Spitalfest-Montag auf einem Lastwagen mit dem zulässigen Gepäck Schönbach verlassen. Nach einem Zwischenaufenthalt in Eger ging unser Transport am 10. Juli 1946 zusammen mit 1.181 Ausgewiesenen bei Hof über die Grenze nach Hanau in Hessen. Von dort aus traten wir einen Fußmarsch nach Mittelbuchen an, wo wir im Saal einer Gastwirtschaft die nächsten Tage verbringen mussten. Kurze Zeit später wurde im Erlanger Raum von den Vertriebenen eine Produktionsgenossenschaft für den Musikinstrumentenbau gegründet. Meine Eltern erhielten eine Zuzugsgenehmigung nach Kalchreuth, wo mein Vater eine Werkstatt für den Zupfinstrumentenbau errichtete. Eine Zusammenführung der Schönbacher Instru­mentenbauer wurde vom damaligen Landrat Willi Hönekopp betrieben, der zusammen mit der St. Joseph-Stiftung den Bau einer Siedlung für 1.600 Heimatvertriebene im Landkreis vorantrieb. Hönekopp hat zusammen mit Bürgermeister Hans Paulus und Gemeinderatsmitglied Johann Eger die Grundstückfrage und den Baubeginn innerhalb von wenigen Tagen auf Bubenreuther Gebiet in die Tat umgesetzt. Schon im Januar 1950 zogen die ersten Heimatvertriebenen in die neuerrichteten Wohnungen ein. Die Vertriebenen aus dem Egerland fühlten sich nach den provisorischen Unterkünften der letzten Jahre in den neuerrichteten menschenwürdigen Wohnungen sehr wohl und der Aufschwung der Nachkriegszeit machte sich auch in der Musikinstrumentenbranche bemerkbar. Am 7. Mai.1956 stellte der Fraktionsvorsitzende der Wählergruppe Bubenreuth-Süd und frühere Landrat Willi Hönekopp im Gemeinderat folgenden Antrag: „Die Gemeinde Bubenreuth übernimmt die Patenschaft über die sudetendeutsche Stadt Schönbach. Gleichzeitig übernimmt sie das Protektorat über das Spitalfest, das zu einem jährlichen Heimattreffen ausgestaltet werden soll.“ In den folgenden Sitzungen wurde die Realisierung des Antrages beraten und die Vereinbarungen zwischen Vertretern von Bubenreuth und Heppenheim vollinhaltlich gebilligt, sodass anlässlich des Landestreffens der Egerländer in der Kreisstadt Heppenheim die Patenschaftsurkunde unterzeichnet werden konnte.

 

Auch Horner bemerkte, dass sich die ursprüngliche einseitige Patenschaft mit der Musikstadt Schönbach durch den Fall des Eisernen Vorhangs grundlegend verändert hat, so ist es Heppenheim und Bubenreuth dennoch gelungen, den aus ihrer Heimat Vertriebenen einen sichtbaren Ausdruck der Verbundenheit zu vermitteln und einen Beitrag zur Erhaltung und Pflege des über 350-jährigen Kunsthandwerkes zu leisten.

 

Nach dem Eintrag in das Goldene Buch überreichte Heppenheims Bürgermeister an die Bubenreuther Delegation Heppenheimer Wein und Bubenreuths Bürgermeister revanchierte sich mit fränkischem Bier. Ein gemeinsames Abendessen und eine Stadtrundfahrt am darauffolgenden Tag ließen die Jubiläumsfeier ausklingen.

 

Text und Fotos: Heinz Reiß

 

 

 

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